Ralf Kreutel, 23.04.2002

Programmieren im Informatikunterricht - Stimmen aus dem WWW

1. Informationstechnische Grundbildung (ITG)

  • Koerber/Peters, :
    Informatische Bildung in Deutschland
    http://log-in.fachdid.fu-berlin.de/IBiD/

    " Die Erfahrungen, die [...] gesammelt werden konnten, verhalfen in Berlin zu einer konsequenten Fortführung der Bemühungen um eine umfassende und einheitliche informatischen Bildung an der Schule. Hinsichtlich einer so konzipierten informationstechnischen Grundbildung wurden folgende Aufgaben definiert (Ziebegk, 1986, S. 1-2 und 12):

    »Die Schule muß Wissen über die Möglichkeiten und Grenzen der Informationstechnik vermitteln und sie damit verständlich und durchschaubar machen. Die Schule muß mithelfen, den Schüler zu befähigen, die Anwendungen der Informationstechnik als vom Menschen gestaltet und damit als änderbar zu erkennen. Da die Anwendungen der Informationstechnik in zunehmenden Maße lebensgestaltende Faktoren in unserer Welt sind, muß die Schule die gesellschaftliche Bedeutung der Informationstechnik thematisieren. Diesen Zielen folgend verbietet es sich von allein, daß der Grundbildungsunterricht den Schülern Programmiertechniken mit Hilfe einer Programmiersprache vermittelt. Hier unterscheidet sich die Grundbildung vom Informatikunterricht.«"

  • D. Engbring, R. Oberliesen (1999):
    Kritische Informatik und (Allgemein-)Bildung
    iug.uni-paderborn.de/iug/veroeffentlichungen/1999

    " Aber auch wenn man dieser Einordnung des Programmierens als KulturTechnik nicht folgt, ist nicht zu übersehen, dass Programmieren (in dem hier verstandenen Sinn) eine spezifische beruflich qualifizierende Tätigkeit darstellt und daher eine ’Programmierschulung’ im Informatikunterricht einen Qualifikationserwerb beschreibt, der deutlich auf die Ausübung eines bestimmten Berufes hin ausgerichtet ist und daher kein orginärer Bereich von Allgemeinbildung."


2. Informatikunterricht

  • S. Frank, I. Schröder, 1997:
    Futurekides oder Screenager?
    Der Tagesspiegel

    "Softe Pädagogik hat ausgedient
    [...]
    Nach Ansicht Kittlers [F. Kittler, Medienwissenschaftler] sollte schon Schulkindern das Programmieren beigebracht werden: »Erst dann kann man Leute wie Bill Gates stoppen, die den Rechner so bedienungsfreundlich und unauffällig wie eine Waschmaschine im Alltag plazieren wollen - wobei die Herrschaft über das Innenleben allein ihnen vorbehalten bleibt.«"

  • Carsten Schulte, 2000:
    Vom Modellieren zum Gestalten - Objektorientierung im Informatikunterricht
    ddi.uni-paderborn.de

    "...wollte man das »algorithmische Denken« sowie die »Auswirkungen der Datenverarbeitung auf die Gesellschaft« integrativ behandeln, um ein Auseinanderfallen des Informatikunterrichts »in einen Programmierkurs und einen Gesellschaftskundeunterricht« zu verhindern (Riedel, S.38)."

  • D. Engbring, R. Oberliesen (1999):
    Kritische Informatik und (Allgemein-)Bildung
    iug.uni-paderborn.de/iug/veroeffentlichungen/1999

    " bis zum Ende der 80er Jahre [spielte die] Hardwarefunktion von Rechnersystemen [...] als Lerninhalt eine zunehmend geringere Bedeutung.
    [...]
    Der Informatikunterricht verkam unter dem hohen Anspruch, problemlösende Denkweisen zu schulen, zum reinen Programmierkurs. Symptomatisch für jene Zeit wurden deshalb Fragestellungen und experimentelle Untersuchungen zur Frage der ’richtigen’ Schulsprache."

     

    "An anderer Stelle wurde auch weder das Programmieren als klassische Technik noch als Handwerk oder Facharbeiter-Tätigkeit eingeordnet, sondern als Kulturtechnik interpretiert. Der Gebrauch von Zeichen zur Konstruktion sinnvoller Artefakte steht dabei im Vordergrund. Carolyn van Dyke versucht unter der Überschrift »Taking Computer-Literacy literally« das Programmieren selbst als Kulturtechnik zu verstehen und einzuordnen. Ihre Argumentation macht zumindest deutlich, das auch die sogenannten ’Kulturtechniken’, wie zum Beispiel das Schreiben, auf das sie sich maßgeblich bezieht, nicht nur als rein handwerkliche Fähigkeit vermittelt wird, sondern auch in verschiedenen elaborierteren Formen der Gestaltung von Texten. Sie schlussfolgert, dass daher auch über grundlegende Programmierfähigkeiten weitere Fähigkeiten ermittelt werden müssten.
    Programmierung beziehungsweise genauer die Software-Entwicklung ist diesbezüglich eher Mittel zum Zweck etwas über Computersysteme zu erfahren, [...].
    Programmieren ist nicht länger Selbstzweck zur Vermittlung einer abstrakten Problemlösekompetenz, sondern eingebettet in den gesellschaftlichen Kontext, in dem Entwicklung von Informatiksystemen stattfindet und die ihre Spuren (Wirkungen) im Einsatz hinterlässt."

  • C. Büttel, I. Lampérth (Universität Zürich), 1997:
    Pädagogische Betrachtungen zu den neuen Lernmedien
    http://www.geser.net/paed01.htm

    " Forschungen zum Einsatz des Computers als Lehrmittel haben gezeigt, dass sowohl das Programmieren als auch der Gebrauch von Computerspielen die kognitive Entwicklung unterstützt und Fähigkeiten fördert, die für Beruf und Schule wichtig sind:
    Koordination, Denken und manuelle Tätigkeit (Sensomotorik), Raumvorstellungsvermögen, forschendes Lernen, folgerichtiges Denken (operationale Fähigkeiten), Berücksichtigung vieler interagierender Faktoren bei der Entscheidungsfindung, Konzentration, Ausdauer, Leistungsbereitschaft, Stressbelastbarkeit."

  • Bettina Timmermann, Dresden, 1995:
    Programmierparadigmen in der Ausbildung von Lehrern für das Fach Informatik
    http://www.inf.tu-dresden.de/ST1/di/veroeff/c95_vkf.htm

    " Die Programmierbarkeit von Maschinen ist ein für die Informatik typisches Wirkprinzip. Deshalb sollten mindestens zwei verschiedenen Programmierparadigmen in ihren Grundgedanken im Schulunterricht behandelt werden. Die Vermittlung verschiedener Programmierparadigmen leistet auch einen spezifischen Beitrag zur Allgemeinbildung."

    "Die Umsetzung ausgewählter Probleme (kleine Fahrplandatenbank, Durchsuchen von Baumstrukturen o.ä.) mittels Sprachen verschiedener Paradigmen ermöglicht auch einen Blick "hinter die Kulissen fertiger Software"."

  • Ausbildungs- und PrüfungsOrdnung für die Gymnasiale OberStufe (NrW):
    http://www.du.nw.schule.de/gesmitte/infos/apogost/lp/info/lpif2320.html

    " Im Informatikunterricht werden Lösungsansätze zusammengetragen und besonderer Wert auf die Umsetzung von Ideen gelegt. Das Programmieren erlaubt und erzwingt es geradezu, seine Lösung durch praktische Tests zu überprüfen und die zugrunde liegende gedankliche Arbeit zu bestätigen; ein Vorteil, den andere strukturorientierte Fächer oft nicht haben. Die sofortige Rückmeldung beim Arbeiten am Computer gibt über den individuellen Erfolg ebenso Auskunft wie über die Leistung der Gruppe beim Zusammenfügen von Programmbausteinen."

  • Ludger Humbert (Uni Dortmund), 2000:
    Umsetzung von Grundkonzepten der Informatik zur fachlichen Orientierung im Informatikunterricht
    www.informatica-didactica.de

    "Ohne die Möglichkeit der Umsetzung von erarbeiteten Problemlösungen, also Realisierung der entwickelten »abstrakten Maschine« kann die Informatik in der Schule nicht bestehen. Deshalb spielen die (software-) technischen Hilfsmittel eine große Rolle für den praktischen Unterricht. Für alle Sprachklassen existieren Hinweise für die Umsetzung im Informatikunterricht (siehe die Anmerkungen zur Tabelle 1)."

  • H. Schelhowe, 1997:
    Verstehen, um zu gestalten - Informatikunterricht und Medienerziehung
    http://waste.informatik.hu-berlin.de/Schelhowe/Infos1997.html

    " Soweit ich die aktuelle Diskussion um eine Didaktik der Informatik überblicke, lassen sich dort vertretene Auffassungen im Wesentlichen nach den folgenden Richtungen unterscheiden (eine ähnliche Einteilung nimmt auch Forneck [Forneck 1990] vor):

    • Orientierung auf algorithmisches Denken: Im Zentrum dieses Ansatzes steht, daß die SchülerInnen für ein vorgegebenes, (in der Regel) formal beschreibbares Problem eine algorithmische Lösung suchen, sie in ein Computerprogramm umsetzen und dieses überprüfen. Das algorithmische Denken wird als eine Art des Denkens betrachtet, das unsere Gesellschaft zunehmend durchdringt, das als "Strukturwissen" in den verschiedensten Feldern erforderlich und nützlich ist, gleichzeitig auch zu "Sorgfalt" und "reflektiertem Handeln" erzieht [Brenner/Gunzenhäuser 1982].

    • Orientierung an den Anwendungen: Mit dieser Orientierung wird versucht, Informatik von der Vorstellung, daß dort nur theoretisches und strukturelles Wissen erworben werden soll, zu lösen. Es gehe um "systematisches Problemlösen und Modellbildung". Dabei wird auch in diesem Ansatz der Algorithmik eine wichtige Rolle zugeschrieben. Sie gewinnt ihre Bedeutung allerdings nicht aus sich selbst heraus, sondern aus der Einbettung in einen Anwendungsbezug, in dem auch nicht-formale Methoden eine Rolle spielen. Einordnung in den gesellschaftlichen Kontext, in den Arbeitszusammenhang, in ein organisatorisches Umfeld, gehören mit zum Informatik-Unterricht.

    • Orientierung auf die Benutzung: Die VertreterInnen dieser Position sehen die Aufgabe des Informatikunterrichts nicht darin, Expertenwissen (Entwurf von Systemen, Algorithmik, Programmieren) zu schulen. Sie wollen den "lebenspraktischen" Umgang mit Hardware und Software fördern. Damit soll gleichzeitig die Kompetenz entwickelt werden, Wirkungen zu beurteilen und selbstbewußt und kritisch mit Computersystemen umzugehen."

  • C. Maurer (FU Berlin, LPA), 3/2000:
    Lerninhalte und -ziele im Informatikunterricht
    http://www.inf.fu-berlin.de/~maurer/ziele/vorwort.html

    "Für den Informatik-Unterricht in der gymasialen Oberstufe sind in erster Linie die Kerngebiete eines Grundstudiums relevant; ferner gesellschaftliche Fragen, soweit sie nicht Gegenstand des Unterrichts in Sozialkunde oder Politischer Weltkunde sind, sowie die exemplarische Beschäftigung mit einem komplexeren System - insbesondere zur Ausprägung der Eindrücke, was "Programmieren" im Grunde heißt.
    Damit ist der Pflichtbereich abgesteckt:

    • Algorithmen und Datenstrukturen,
    • Rechnersysteme,
    • Automaten und formale Sprachen und
    • Gesellschaftliche Aspekte der Informatik.

    [...]
    In einem Wahlpflichtbereich - etwa in der Jahrgangsstufe 13 - kommen Gebiete in Frage, deren fachliche Hintergründe nichts anderes als diese Grundlagen voraussetzen und sich nachweislich didaktisch auf Schulniveau reduzieren lassen, wie z.B.

    • ein Softwareprojekt und
    • Datenbanksysteme und
    • Nichtsequentielle Programmierung."


  • Computer, Schule, Informatik (Wer?)
    http://www.od.shuttle.de/evb-1/comschul.htm

    " Im Sinne einer Computerausbildung wurde von dem Programmieren bisher nicht gesprochen. Ist die Kenntnis einer Programmiersprache wirklich notwendig? "Wer programmiert heute noch?" Die Frage ist IMHO falsch gestellt. Wann ist es notwendig und gewinnbringend, zu programmieren?

    • Wenn ich den Ablauf eines kleinen Algorithmus' verstehen moechte.
    • Wenn ich ein Programm brauche, das nicht auf meine Zielvorstellungen zugeschnitten, schon existiert

    Auf jeden Fall: Programmieren kann die kreativste Tätigkeit sein, die an einem Computer vollzogen wird, und daher ist der Spaß an der Sache nicht zu unterschätzen. Sollte sich der Informatikunterricht nun auf eine Programmiersprache festlegen? Auch eine Programmiersprache ist schließlich ein "Werkzeug". Genausowenig, wie es notwendig ist, sich auf einen bestimmten Taschenrechnertyp zu einigen, besteht IMHO die Notwendigkeit, einer bestimmten Programmiersprache die Priorität zu geben. Entscheidend ist wieder die Frage: was ist mein Ziel - und: welche Sprache macht es mir am einfachsten, dieses Ziel zu erreichen? Danach suche ich aus.
    In diesem Sinne wäre es zu wenig, wenn der Informatikunterricht nur die Verwendung eines Werzeugs lehren wuerde. Wer einen Tisch bauen möchte, darf nicht beim Hammer stehenbleiben. Aber es ist natürlich motivierend, eine Sprache zu verwenden, die elegant und mächtig ist."

    "Programmieren ist eine sinnvolle, in gewissem Sinne auch sehr kreative Tätigkeit, die sich aber ebenfalls an den Zielvorstellungen orientieren muss: für das Erstellen kleiner Anwendungen, die nur auf eine bestimmte Aufgabe zugeschnitten sind (ganz im Sinne der Unix-Philosophie) ist das Programmieren sehr lohnend. Aber auch die Programmiersprache ist nur ein "Werkzeug". Sie ist und darf auch nicht in Zukunft der primäre Betrachtungsgegenstand eines Informatikunterrichtes sein."

  • Zentralstelle für Computer im Unterricht, Augsburg, 2000:
    Informatik in der Schule
    http://www.schule.bayern.de/texte/Informatik.pdf