Schwill: Zielorientierte Ansätze in der Fachdidaktik Informatik



Laut Meyers Enzyklopädischem Lexikon Bd. 6 von 1974 ist Didaktik allgemein
„Unterrichtslehre; Kunst des Lehrens; Wissenschaft von der Methode des Unterrichtens“,
wobei unterschiedliche Schwerpunkte möglich sind:

1. Didaktik als Wissenschaft und Lehre vom Lehren und Lernen überhaupt,


2. Didaktik als Wissenschaft vom Unterricht bzw. Theorie des Unterrichts,


3. Didaktik als Theorie der Steuerung von Lernprozessen,


4. Didaktik als Theorie der Lehr- bzw. Bildungsinhalte, ihrer Struktur, Auswahl und Zusammensetzung,


5. Didaktik als Theorie der Unterrichtsformen und -verfahren.




- Definition der Ziele des Fachunterrichts,

- Entwicklung von Konzepten zur Methodik und zur Organisation des Unterrichts,

- Festlegung, welche Ideen, Methoden und Erkenntnisse der Fachwissenschaft im Unterricht

vermittelt werden sollen,

- Reihung der Unterrichtsinhalte zu Lehrplänen und ihre fortlaufende Aktualisierung hinsichtlich

neuester fachwissenschaftlicher und didaktischer Erkenntnisse.




Unterrichtsziel

Didaktikansatz

a. Wissenschaftsbezogener Bereich


a1. Einbettung der Informatik in übergeordnete Begriffe

universeller Ansatz

a2. Fundamentale Ideen der Informatik

ideenorientiert

a3. Unterliegende Technik- und Hilfsbereiche hardwareorientiert,

logikorientiert, numer. Ansatz

a4. Gesicherte Aussagen, Systematik, Weltbild

theorie-orientiert oder informatischer Ansatz

b. Zukunftsaspekte


b1. Visionen über Möglichkeiten der Informatik

visionsorientierter Ansatz

b2. Entwicklungslinien der Informatik

Extrapolationsansatz

c. Einsatz, Anwendungen, Auswirkungen bis heute


c1. Typische Anwendungen zur Zeit

anwendungsorientiert

c2. Auswirkungen (Arbeit, Soziales, Freizeit usw.)

sozialorientiert

d. Nutzen (und Schaden)


d1. Nutzen für den einzelnen

joborientiert

d2. Nutzen für die Arbeitswelt

arbeitswelt-orientiert

d3. Nutzen für die Allgemeinheit

gesellschaftsorientiert

e. Grundtechniken und Unterstützungscharakter


e1. Computer als Werkzeuge in anderen Fächern

integrativer Ansatz

e2. Informatik als wichtige Kulturtechnik

kulturorientiert



Die Ansätze im einzelnen:

- universeller Ansatz:


Die Informatik (oder Teile davon) wird in einen übergeordneten Zusammenhang gestellt.

Möglich ist z.B. ein Unterricht allgemein über informationsverarbeitende Systeme

in Natur, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft oder über natürliche und künstliche

Sprachen, deren Syntax, Semantik und Pragmatik, sowie darüber, was mit unterschiedlichen

Sprachbegriffen darstellbar ist.


- ideenorientierter Ansatz:


Nach Bruner soll sich der Unterricht eines Faches in erster Linie an den „fundamentalen

Ideen“ der zugrundeliegenden Wissenschaft orientieren. Da den fundamentalen Ideen

eine längerfristige Gültigkeit zugeschrieben wird, kann es einem Informatikunterricht

nach diesem Ansatz am ehesten gelingen, dem Druck der Wissenschaft, der durch die

Halbwertszeit des Informatikwissens aufgebaut wird, zu entgehen. Allerdings gibt es

kaum Untersuchungen darüber, was fundamentale Ideen der Informatik sind.


- logik-, hardwareorientierter, numerischer Ansatz:


logikorientiert: Mit Logikkalkülen lassen sich viele Aspekte von Maschinen und Programmen

eindeutig spezifizieren, beschreiben und in gewissem Umfang auch verifizieren.

Im Hochschulbereich setzt sich dieser Ansatz mehr und mehr durch.

Historisch hat sich die Informatik u.a. aus der Elektrotechnik und der Mathematik entwickelt.

Entsprechende Didaktikansätze sind jedoch veraltet.

hardwareorientiert: s. Beispiel unten.

numerisch: Im Mittelpunkt stehen numerische Berechnungen (z.B. die Wurzelberechnung

nach Heron). Weitere Anwendungen werden nicht behandelt.


- informatischer Ansatz:


Informatische Inhalte und Methoden werden systematisch in einer Form dargestellt,

wie sie sich in grundlegenden Vorlesungen, Informatiklehrbüchern und Lexika finden.

Dieser Ansatz bereitet am ehesten auf ein Informatikstudium vor.


- visionsorientierter Ansatz:


Ausgehend von einer bestimmten Zukunftsvorstellung über Arbeitsweise, Leistungsfähigkeit

und Anwendungsbereich von Computersystemen versucht man, ausgewählte

Teilaspekte dieser Vision zu programmieren oder zu simulieren. Gleichzeitig entwickelt

man die notwendigen informatischen Grundkenntnisse hierzu, etwa zur prinzipiellen

Leistungsfähigkeit von Rechnern (Berechenbarkeit), zur Spracherkennung usw.


- Extrapolationsansatz:


Hier geht man umgekehrt zum visionsorientierten Ansatz vor: Ausgehend von den aktuellen

Gegebenheiten versucht man die Entwicklung der nächsten 10 bis 15 Jahre vorzuzeichnen

und vermittelt die entsprechenden Inhalte im Unterricht. Zu diesen Inhalten

könnten z.B. Parallellismen aller Art gehören: Parallelrechner, Netze, Sprachen für

Parallelrechner usw.


- anwendungsorientierter Ansatz:


Welche aktuellen Anwendungen und Anwendungsmöglichkeiten bestehen für die Informatik

und für Computer zur Zeit? Ausgehend von dieser Fragestellung analysiert man

die in den entsprechenden Bereichen vorkommenden Systeme hinsichtlich der verwendeten

Informatikmethoden und -konzepte.


- sozialorientierter Ansatz:


Schwerpunkt dieses Didaktikansatzes sind die persönlichen und gesellschaftlichen

Auswirkungen der Informatik.


- joborientierter Ansatz:


Es ist unbestritten, daß Personen mit Informatikkenntnissen bessere Berufschancen

besitzen. Die kurzfristigen Chancen erhöhen sich meist deutlich für diejenigen, die ein

bestimmtes marktgängiges Produkt (Computersystem, Betriebssystem, Programmiersprache,

Textsystem) beherrschen. Diese Tatsache greift der joborientierte Ansatz auf.

Er vermittelt eine Programmiersprache, ein Betriebssystem, ein Textsystem usw.

Grundprinzipien der Informatik treten in den Hintergrund.


- arbeitswelt-orientierter Ansatz:


Unterschiedliche Systeme werden erläutert, analysiert und hinsichtlich ihres Nutzens

und Schadens für Benutzer, Firmen, die Wirtschaft klassifiziert.


- gesellschaftsorientierter Ansatz:


Hier bilden weniger Einzelpersonen oder Firmen sondern die Gesellschaft den Schwerpunkt,

für den Nutzen und Schaden klassifiziert werden.


- integrativer Ansatz:


In vielen Schulfächern werden bereits Computer als Unterrichtsmittel eingesetzt. Der

integrative Ansatz verfolgt nun das Ziel, zugleich mit den Anwendungen des Computers

auch in die Grundprinzipien der Informatik einzuführen.


- kulturorientierter Ansatz:


Lernziel dieses Ansatzes ist die computer literacy.