Ansätze der allgemeinen Didaktik



Jörg Strehmann

[Startseite des Kurses Einführung in die Fachdidaktik der Informatik]

Ziel:

Vorstellung, Klassifizierung und Versuch einer Bewertung der wichtigsten theoretischen Konzepte der allgemeinen Didaktik

Gliederung:

Die drei gängigsten didaktischen Grundkonzepte
      • bildungstheoretische Didaktik
      • lerntheoretische Didaktik
      • erfahrungswissenschaftlich orientierte Didaktiken
            · lernzielorientierte Didaktik
            · informationstheoretisch-kybernetische Didaktik
            · systemisch-konstruktivistische Didaktik
            · kritische Didaktik
Bewertung
Literatur

Die drei gängigsten didaktischen Grundkonzepte:

Die drei nachfolgend genannten didaktischen Grundkonzepte bestimmen nahezu ausschließlich die Unterrichtsvorbereitung, -durchführung und -auswertung in Deutschland. Es sind dies die bildungstheoretische Didaktik, die lerntheoretische Didaktik sowie erfahrungswissenschaftliche Didaktiken. Darüber hinaus gibt es andere Didaktiken wie z.B. die materialistische Didaktik, die aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Deutschland keine Rolle spielen.
      Die verschiedenen Didaktiken unterscheiden sich nach der Definition ihres Gegenstandes, dem Verhältnis, das sie zwischen Theorie und Praxis beschreiben, dem Verhältnis, das sie zwischen Ziel, Inhalt und Methode des Unterrichts zugrunde legen sowie der Begründung und Legitimation didaktischer Entscheidungen. Dabei ist das Konzept der erfahrungswissenschaftlichen Didaktiken ein Sammelbegriff für alle didaktischen Ansätze, die mit einem behavioristischen Lernzielverständnis arbeiten.

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Bildungstheoretische Didaktik:

Dieser Ansatz, der auch Göttinger Schule genannt wird, geht auf Wolfgang Klafki zurück. Sein Leitmotiv ist die bildende Begegnung des Menschen mit der kulturellen Wirklichkeit. Nach Klafki ist die Aufnahme und Aneignung von Inhalten stets verbunden mit der Formung, Entwicklung und Reifung von körperlichen, seelischen und geistigen Kräften. Dafür seien jedoch nicht alle Bildungsinhalte geeignet. Nach Klafki geht es darum, solche Themen auszuwählen, die als Besonderes das Allgemeine enthalten. Die bildungstheoretische Didaktik versteht sich daher als eine Theorie der Bildungsinhalte, ihrer Struktur, ihrer Auswahl und Rechtfertigung. Sie stellt eine Vergewisserung des Bildungssinns, der in den Entscheidungen des Lehrers immer schon enthalten sein muss, dar. In der bildungstheoretischen Didaktik ist auch ein kritisches Moment der Reflektion und gegebenenfalls Neudefinition des Bildungsbegriffs enthalten.
      Aufgrund der Zentralposition des Bildungsbegriffs in dieser Didaktik besteht ein Primat der ziel- und inhaltsbezogenen Entscheidungen vor den methodischen Entscheidungen.

Lit.: Klafki, W. u.a.: Didaktische Analyse. Schroedel, Hannover 1962

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lerntheoretische Didaktik:

Dieser Ansatz, der auch Berliner Schule genannt wird, will Didaktik als Theorie des Lehrens und Lernens verstanden wissen. Der Lehrende muss unter Berücksichtigung der Elemente verschiedener Bedingungsfelder seine Entscheidungen in den jeweiligen Entscheidungsfeldern so treffen, dass die gewünschten Folgen erreicht werden können.
      Die lerntheoretische Didaktik soll dem Lehrenden dabei eine wertfreie ideologiekritische Analyse einer Unterrichtssituation vermitteln. Die für die Analyse benutzten Kategorien dienen dann auch zur Planung des Unterrichts. Im Verhältnis von Zielen, Inhalten und Methoden besteht eine formale Gleichrangigkeit, da von einer Wechselwirkung dieser drei Kategorien ausgegangen wird.

Lit.: Heimann/Otto/Schulz: Unterricht - Analyse und Planung. Schroedel, Hannover 1965

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Erfahrungswissenschaftlich orientierte Didaktiken:

"Die psychologische Schule des Behaviourismus erhebt den Anspruch, dass alle psychologischen Erkenntnisse in Experimenten verifizierbar sein müssen. Man beschränkt sich daher auf die Erklärung beobachtbarer Phänomene. In Bezug auf die Lernpsychologie bedeutet das eine Konzentration auf die Veränderung von Verhaltensweisen durch Lernprozesse. Das Hauptziel des Behaviourismus liegt in der Bereitstellung von Theorien zur Vorhersage bestimmter Reaktionen in einer gegebenen Situation." (Hubwieser, S.3)

Darauf aufbauend ist eine erfahrungswissenschaftlich orientierte Didaktik eine Theorie der Analyse und Konstruktion von zweckrational optimierten Lernprozessen. Sie geht davon aus, dass eine Methodik unter Laborbedingungen entwickelt werden kann, die unabhängig von unterrichtspraktischen Entwicklungen gültig ist. Die Methodik hat in diesem Konzept absoluten Vorrang vor Inhalten und Zielen. Deren Festlegung wird weitestgehend als private Entscheidung dem Lehrenden überlassen, auf die die Didaktik als Wissenschaft keinen Einfluss nehmen will.
      Im Rahmen dieses Grundgerüstes entstanden verschiedene Didaktiken, die hier kurz vorgestellt werden sollen:

· lernzielorientierte Didaktik

Innerhalb dieses Modells wird Lernen als Verhaltensänderung aufgefasst. Die lernzielorientierte Didaktik will Lernziele so formulieren, dass Verhaltensänderungen unmittelbar beobachtbar werden. Zu diesem Zwecke wird ein (für den Lehrenden offenes) Curriculum soweit gegliedert, dass kognitive, affektive und psychomotorische Lernziele formuliert und deren Erreichen konstatiert werden kann.

Lit.: Peterßen, W. H.: Grundlagen und Praxis des lernzielorientierten Unterrichts, Otto Maier, Ravensburg 1974

· informationstheoretisch-kybernetische Didaktik

Unter Anwendung der Methoden der Informationstheorie und der Kybernetik ist diese Didaktik auf reine Methodik reduziert. Dabei wird zum einen der pädagogische Raum definiert, der die Parameter Lernziel, Lehrstoff, Medium, Soziostruktur und Psychostruktur aufweist, zum anderen die Struktur des Lernprozesses als Regelkreis modelliert. In diesem ist die Führungsgröße das Lernziel, der Regler der Lehrende, das Stellglied der Lehr- und Lernprozess, die Regelgröße der Schüler. Geschlossen wird der Regelkreis über den Messfühler Wahrnehmung des Lehrers.

Lit.: Cube, F. von: Der kybernetische Ansatz in der Didaktik. Die Deutsche Schule 60 (1968), S.391 - 400
Frank, H.: Ein Ansatz zu einer kybernetisch-pädagogischen Lehrplanungstheorie. Neue Unterrichtspraxis (1974), S. 340 - 347

· systemisch-konstruktivistische Didaktik

Diese Didaktik ist kein abgeschlossenes theoretisches Modell. Der Konstruktivismus geht davon aus, dass man Wirklichkeit nur subjektiv wahrnehmen kann, sich somit objektive Realität der menschlichen Wahrnehmung entzieht. Erkenntnisse sind vom Beobachter nicht zu trennen. Die Welt wird in Form von Modellen konstruiert, die im Wege der Kommunikation mit anderen Menschen verifiziert oder falsifiziert werden können. Wahrnehmung kann daher nicht richtig oder falsch, sondern nur passend sein. Für die Unterrichtsplanung ergeben sich daraus folgende Konsequenzen: Unterrichten heißt konstruieren, nicht rekonstruieren von Wirklichkeit; der Lehrer ist nur Moderator; kreativen Unterrichtsformen ist der Vorzug zu geben; der Lehrende soll selbstbestimmtes Lernen ermöglichen.

Lit.: Glaserfeld, E. von: Radical Constructivism: A Way of Knowing and Learning. The Falmer Press, London, Washington 1995

· kritische Didaktik

Diese versteht sich als Korrektur und Weiterentwicklung der bildungstheoretischen und lerntheoretischen Didaktik. Ihr zugrunde liegt die Annahme der Notwendigkeit zur Reflektion des gegenwärtigen Zustandes der Gesellschaft, der demokratischen Verständigung über den Soll-Zustand und mögliche Wege dorthin. Für die praktische Anwendung dieser Didaktik auf die Unterrichtswirklichkeit bedeutet dies das permanente Hinterfragen von Bildungsinhalten und Lernzielen, das Hinwirken auf eine fortschreitende Emanzipation des Lernenden vom Lehrenden, aber auch die Beschäftigung mit Aspekten der humanen Lebensführung, wie dem Schaffen angstfreier Lernumgebungen oder dem Umgang mit Störungen.

Lit.: Schäfer/Schaller: Kritische Erziehungswissenschaft und kommunikative Didaktik. Quelle und Meyer, Heidelberg, 1971

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Bewertung:

Die bildungstheoretische Didaktik braucht als Grundlage einen zumindest in weiten Teilen der Gesellschaft als verbindlich anerkannten Bildungskanon. Die Verständigung darüber, was dazu gehören soll, ist ein langwieriger Prozess, so dass die administrative Reflektion dieses Kanons in Form von Rahmenplänen immer tendenziell konservativ und modernisierungshemmend sein muss.

Die lerntheoretische Didaktik ist ihrem Wesen nach zu komplex, um in der praktischen Lehre Anwendung finden zu können. Da Lehrende in der Regel Klassenverbände unterrichten, würde eine genaue Analyse nach den theoretisch vorgegebenen Kategorien für verschiedene Schüler unter Umständen zu stark abweichenden Resultaten führen, auf die im Kontext des Klassen unterrichts nicht adäquat eingegangen werden kann.

Die erkenntniswissenschaftlichen Didaktiken haben dahingehend ihre Berechtigung, dass sie die Existenz eines allgemein verbindlichen Wissenskanons in Frage stellen. Sie sind aber insofern zur praktischen Verwendung im Unterricht nur bedingt tauglich, als dass sie dem System Schule als einem System zur sozialen und Leistungsnormierung zuwiderlaufen und unter Verwendung dieser Didaktiken Schülern nicht das Rüstzeug für ein Bestehen in einer wettbewerbsbasierten Gesellschaft zu vermitteln ist.

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Literatur:

• Hubwieser, P.: Didaktik der Informatik. Springer, Berlin 2001
• Meyer, H.: Leitfaden zur Unterrichtsvorbereitung. Cornelsen Scriptor, Frankfurt am Main 1993
Website des Verbundprojektes Visualisierung im Bildungsbereich (VIB) der Pädagogischen Hochschulen des Landes Baden-Württemberg

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22. Oktober 2002    Jörg Strehmann